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9.981.319 Artikelanzeigen seit dem 12.08.2005

Winterschutz, etc.

Nachricht von Thomas, Hamburg

Hallo Arnold,

Knebeln... Wer knebelt üblicherweise? Genau, Kidnapper knebeln ihre Entführungsopfer, damit sie nicht durch Hilferufe auf sich aufmerksam machen. So stellt man harmlose Palmenfreunde sprachlich in die Nähe von Schwerstverbrechern.
Da bleibe ich doch lieber beim sachlich-neutralen Begriff "Zusammenbinden".

Ich frage mich wie viele Hanfpalmen Du beobachtest hast, die lediglich zusammengebunden, aber nicht umhüllt waren? Du scheinst das in einen Topf zu werfen. Zunächst wäre doch zu klären, ob die angebliche Wachstumsverschlechterung vom Zusammenbinden oder von der (wohlmöglich längerfristigen) Umhüllung stammen!
Es ist nicht gerade eine wissenschaftliche Vorgehensweise, Beobachtungen, die einem nicht in die Theorie passen, "aus der Wertung" zu nehmen, wie Du es offenbar (bei mir sogar explizit) mit den Berichten von mir und Robert machst. Im Gegenteil, unterschiedliche Beobachtungen sollten uns Anlass zum Nachdenken geben, wo her die verschiedenen Resultate rühren können. Haben die Palmen von Robert und mir zufällig einen krankhaft gestörten Abcissinsäurehaushalt? Waren wir nur einfach geschickter beim Binden als die meisten anderen?

Oder liegt es an Art und Dauer der Umhüllung?
Ich habe bereits geschrieben:
>Vielleicht kommen einige Vorurteile von Palmen, die vier Monate in Blasenfolie eingeschweißt vor sich hinschmoren?

Die Wachstumsstörung durch Abcissinsäure soll doch allgemein bei Pflanzen, nicht nur bei Hanfpalmen erfolgen, oder? Bindest Du die Blätter Deiner Phoenixpalme nicht auch zusammen? Und hast Du nicht vom guten Wachstum derselben berichtet?

Organismen setzen Hormone üblicherweise als Botenstoffe ein, um z.B. um auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren, und zwar zu ihrem Nutzen. Es kann zum Nutzen einer Pflanze sein, wenn sie auf eine momentan ungünstige Situation, wenn Wachstum sich also nicht lohnt, mit einem Wachstumsstop reagiert. Es ist aber kaum einsichtig, warum eine Pflanze auf eine heftige mechanische Beanspruchung (z.B. durch einen Herbststurm) Monate später durch ein über die ganze Saison anhaltendes schleppendes Wachstum reagieren sollte. Pflanzen sind keine Trotzkinder.
Wenn Blattmasse zerstört wird (z.B. auch durch Frost, Eisregen ect.), keine Frage, vermindert das die Photosyntheseleistung und behindert eine Pflanze vorrübergehend. Das ist aber weniger eine Frage von Hormonen.
Um den Sachverhalt aufzuklären, müsste jemand:
Den Abcissinsäurespiegel vor und nach dem Zusammenbinden messen, ob überhaupt eine nennenswerte Erhöhung zustandekommt.
Weiterhin den Abcissinsäurespiegel während des Winters überwachen, ob der Spiegel, wenn überhaupt erhöht, innerhalb dieser Monate nicht längst wieder auf Normalniveau gesunken ist. Das beim Öffnen der Verschnürung etwas passiert, halte ich für unwahrscheinlich, aber sicherheitshalber eine Messung vor und nach dem Öffnen. Fall der Abcissinsäurespiegel jetzt wirklich erhöht ist, müsste man noch kontrollieren, wie lange diese Erhöhung während der Saison anhält.
Solange solche Messungen niemand gemacht hat, ist jeglicher Zusammenhang zwischen Binden und Abcissinsäure und daraus folgenden Konsequenzen für das Wachstum pure Spekulation.

Ich frage mich überhaupt, warum manche Pflanzen kräftigen Rückschnitt (Du würdest in Deiner Sprache vermutlich von der Amputation von Armen und Beinen reden) mit explosivem Wachstum belohnen, sie müssten doch eigentlich dann die ganze Saison über "schmollen".

Voriges Jahr habe ich meine Passiflora "brutalst möglich vergewaltigt" und die Stämme von 5m auf 1,2m heruntergesägt, der Saft (das Blut!!!) floss in Strömen! Wenige Wochen später war sie wieder auf 5m, seltsam nicht? Haben Passifloras keine
Abcissinsäure? Oder hält die Wirkung derselben vielleicht gar nicht lange vor?

Hach, ich wollte mir die Ironie wirklich verkneifen, aber bei den Steilvorlagen... bin auch nur ein Mensch.

Bei meiner Musa basjoo habe ich den Stamm abgesägt, trotzdem hat sie sehr früh ausgetrieben und ist gut losgewachsen.
Ok, Ok, Musa und Passi sind schon komplett andere Pflanzen als Trachys, aber warum in aller Welt soll die gewaltige Abcissinsäureverzögerung eigentlich gerade nur bei Trachys funktionieren?


Zum Thema Winterschutz:
Der beste WS, ich glaube da stimmen wir ausnahmsweise überein, ist gar kein WS, in Kombination mit einem milden Winter, ohne Stürme, Eisregen, Hagel, Nasschnee und dergleichen Unbill.
Leider kennt keiner den Winterverlauf im Voraus.
Der zweitbeste WS ist ein temporäres, klimatisiertes Gewächshaus, aber wir reden von Hanf- nicht von Kokospalmen, und man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schiessen.
Wenn man eine größere Hanfpalme komplett (und sturmsicher) umbauen will, ist das schon eine etwas aufwändigere Angelegenheit (ich spreche aus Erfahrung), die man nicht eben mal nach Feierabend schell erledigt, wenn der Wetterbericht hoppla! von -12°C auf -18°C umgesprungen ist. Wenn man schnell ein paar dürre Latten zusammennagelt und Plastikfolie drumwickelt kann man nach dem ersten Sturm die Überreste in der weitern Nachbarschaft zusammensuchen. Alles schon x-fach berichtet worden. Es macht auch nicht gerade Spaß, bei eisigem Wind mit blaugerfrorenen Fingern längere Zeit im Garten zu basteln.

Wenn ich die gezeigte Palme kubisch umbauen würde, bräuchte ich ca. 3 x 3m Grundfläche, bei ca. 2,1-2,2m Höhe. Im nächsten Jahr wären es dann vielleicht schon 2,3 -2,4m also vielleicht besser gleich 2,7m? Man möchte doch nicht jedes Jahr frickeln!
Mal schnell gerechnet, schon 32 qm Seitenfläche, die zu isolieren und zu beheizen sind!
Ich habe es leider nicht gemessen, schätze mal, der Durchmesser der zusammengewickelten Palme lag bei etwa 30cm -> 2,2 x pi x 0,3 = 2 qm also ein Faktor 16! Der Stromversorger lässt grüßen!
Noppenfolie würde ich zum Schutz einer zusammengebundenen Palme nicht verwenden, auch mit Vlies muss man bei Sonne vorsichtig sein. Einwickeln und vergessen, das klappt sicher nicht!
Ich denke, bei einem halbschattige plazierten Trachy, wo die tiefstehende Wintersonne durch Bäume o.ä. verdeckt wird, wird man keine Probleme haben. Es gibt genug Beispiele, daß Trachys an halbschattigen und sogar schattigen Plätzen gut gedeihen. Sonst kann man z.B. durch ein aufgespanntes Sonnensegel schattieren. Ist weniger Aufwand als eine Umbauung. Oder man entfernt das Vlies bei Sonnenschein, bei einem Trachy wie dem gezeigten wenige Handgriffe.
Ich habe im letzten Winter mal die Isolierwirkung von Steinwolle ausprobiert:
Außentemperatur: Min. ca -10°C.

Temp. am Stamm:
Ausgangstemp. 0°C
Min: ca. -0,4°C.
Man kann also auch ohne Beheizung kürzere Fröste sehr gut abfangen. Natürlich braucht man bei -10°C nicht zu schützen, das war ein Test. Und natürlich kühlt ein Stamm langsamer aus als das Blattpaket.
Aber klar ist doch auch, daß ein Blattpaket, was durchaus im Kilogrammbereich liegen kann, insbesonders unter Isoliermaterial erheblich langsamer auskühlt als die isolierten, papierdünnen Blattspreite.
Bei lang anhaltendem Extremfrost kommt man ohne Beheizung nicht aus, hier kommt es sehr auf das Maß an. Bei Temperaturen unter 0°C sollte auch nichts schimmeln. Bei Tauwetter: Runter mit der Umhüllung. Bei der besagten Palme habe ich keinerlei Schimmelbildung feststellen können.

Ich bilde mir überhaupt nicht ein, der absolute Experte in Sachen WS zu sein. Viele Wege führen ins wintermilde Rom. Ich glaube WS ist ein Thema, bei dem man beständig dazu lernt. Hier in Norddeutschland ist ca. jeder 5. -7. Winter eine Gratwanderung.

Gruß,

Thomas


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